Historische Weberei Egelkraut – Hier werden Stoffträume Wirklichkeit
Ein unscheinbarer Bau, ähnlich einer Garage oder Halle. Ein Gebäude, wie man es nahezu überall sieht. Nicht besonders auffällig oder gar aufsehenerregend. Was sollte man als Mensch, der hier vorbeifährt oder vorbei spaziert, schon groß verpassen? Vermutlich nichts! Oder doch?
Tatsächlich solltet Ihr, wenn Ihr an der Hauptstraße Nummer 31 in Trutzhain vorbeifahrt, nicht zu sicher sein, hier nichts zu verpassen. Denn in diesem von außen unscheinbaren Gebäude, schlummert ein echter Schatz, der zum Glück von Udo van der Kolk, dem jetzigen Betreiber der Historischen Weberei Egelkraut, mit jeder Menge Herzblut und Leidenschaft am Leben gehalten wird.
Und wenn Ihr irgendwann einmal die Gelegenheit habt und in der Nähe seid, dann solltet Ihr unbedingt das schmucklose Holztor hinter Euch schließen und einen Ausflug wagen und Euch einlassen auf eine Handwerkskunst, die beim Anblick der imposanten Webstühle und allem was noch dazu gehört, so vollkommen aus der Zeit gefallen scheint.
Der Stoff aus dem die Träume sind
Heute für viele von uns vielleicht gar nicht mehr vorstellbar. Doch vor langer Zeit waren einige Stoffe ausschließlich dem Adel oder aber kirchlichen Würdenträgern vorbehalten. Heutzutage machen sich doch die wenigsten von uns Gedanken darüber, aus welcher Art von Stoff das Kleid ist, welches wir uns vor Kurzem gekauft haben.
Schade eigentlich, denn beschäftigt man sich ein wenig eingehender mit der Materie, dann wird schnell klar, dass Stoff eben nicht gleich Stoff ist und die Unterschiede nicht verschwindend gering sind. Und wer das Besondere sucht, der wird schon seit 100 Jahren fündig bei der Weberei Egelkraut. Damals wie heute steht die Weberei für höchste Qualität und haucht Stoffträumen Leben ein.
Auf schwierigen Wegen zum Erfolg
Anders als der Vorgang des Webens, der immer einem festen Muster folgt, gestaltet sich der Aufbau der Weberei turbulent und mitunter schwierig. Fiel doch die Gründung des Betriebs in die frühen 20er-Jahre, die wirtschaftlich ohnehin ziemlich schwierig waren. Erschwerend hinzu kam außerdem die Tatsache, dass die Familie im Jahr 1945 aus Ihrer ehemaligen Heimat, dem Egerland vertrieben wurde und schließlich im hessischen Trutzhain eine neue Heimat fand.
Dort musste mit dem Neuaufbau der Weberei nahezu wieder bei null angefangen werden, denn außer einigen wenigen Mustern und Kundenkontakten musste alles zurückgelassen werden.
Dank eines eisernen Willen, mehr als nur einer gehörigen Portion Mut und der Liebe zum eigenen Gewerk konnte sich die Weberei Egelkraut etablieren. Wurden zunächst unter anderem „nur“ Bekleidungsstoffe, Schultertücher sowie einfache Paramentstoffe gefertigt, konnten schon zu Beginn der 50er-Jahre in der Weberei wieder aufwendige Dekorationsstoffe und Brokat hergestellt werden.
In den 2000er-Jahren stand die Historische Weberei Egelkraut dann kurz vor Ihrem Aus. Denn wie in vielen kleinen Familienbetrieben fehlte es auch hier an einem Nachfolger innerhalb der familiären Reihen, der das Erbe fortführen wollte.
Neue Visionen und die Liebe zum traditionellen Handwerk
Diese Eigenschaften sorgten dafür, dass dieser Handwerksschatz nicht für immer seine Tore schließen musste. Denn der gelernte Tischler und Restaurator Udo van der Kolk, der schon seit dem Jahr 2000 in der Weberei beschäftigt war, leitet seit dem Jahr 2011 die Geschicke der Historischen Weberei in Trutzhain.
Er gewährte im Rahmen des Blauen Sonntag am 10. September 2022, Einblicke in sein Schaffen. Was ebenfalls an diesem Wochenende nicht zu kurz kam, war die Tatsache, dass die Weberei Egelkraut in diesem Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum feiert und so gab es nicht nur aktuelle Einblicke, sondern auch beeindruckende und lehrreiche Rückblicke, welche die Geschichte der Weberei betrafen.
Führungen durch die Weberei, in deren Rahmen die Webstühle bestaunt und man so manches über die Handwerkskunst des Webens erfahren konnte, waren an diesem Tag ebenso Besuchermagnet wie die Vorträge über die Geschichte der Weberei, die zudem noch mit Filmmaterial untermalt wurden. Schade nur, dass an besagtem Wochenende das Wetter so gar nicht mitgespielt hat und außerdem noch der Tag des offenen Denkmals war und dadurch das Angebot einfach viel zu groß war, um mehrere Sachen besuchen beziehungsweise sehen zu können. Auf dem Gelände der Historischen Weberei Egelkraut in Trutzhain wurde dennoch gut gefeiert. Neben den schon angesprochenen Führungen und Vorträge gab es obendrein noch einige interessante Aussteller sowie Bratwurst und kühle Getränke. Auch der Kuchenhunger sowie der Kaffeedurst konnten gestillt werden.
Doch nicht nur die Historie ist beeindruckend. Auch das, was Udo van der Kolk mit seinen Mitarbeitern in der Weberei heute leistet, verdient höchsten Respekt und Anerkennung. So hat er beispielsweise das Bandretterprojekt ins Leben gerufen. Hierbei geht es ganz speziell um die Bandweberei und natürlich darum, altes Wissen und Tradition zu retten und am Leben zu erhalten. Und selbst wenn dies schon jede Menge Arbeit und Engagement bedeutet, so ist es noch lange nicht alles. Die Historische Weberei unter der Leitung von Udo van der Kolk hat im Jahr 2016 das Wolltuchsortiment sowie die Direktvermarktung der Firma Schneider & Wohlenberg Theaterstoffe übernommen.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Udo van der Kolk, dass wir sogar eine ganz private Führung durch die Weberei erhalten haben. Wenn auch Ihr die Faszination einer historischen Weberei erleben möchtet, dann habt Ihr jeden 1. und 3. Montag sowie jeden 2. Sonntag im Monat die Gelegenheit hierzu. Auf der Webseite der Weberei Egelkraut könnt Ihr Euch hierzu anmelden.